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Schauen Sie mal genau hin. Die Kirchenbänke stehen senkrecht. Sechs Meter hoch ragen sie in den Raum hinein. Ungeordnet, willkürlich, provozierend. Eine Installation der Künstlerin Dorothee Bielfeld. Das Bild zeigt eine Kirche in Bochum. Nicht ein Museum. Eine ganz normale Kirche, in der sich regelmäßig Menschen zum Gottesdienst versammeln – nur etwas anders eben als gewohnt. Wer die Kirche betritt, kann sich nicht einfach auf seinen Stammplatz setzen. Er muss erst einmal schauen, wo der eigene Platz ist – wo er heute ist. Manche gehen durch die Bänke hindurch direkt zum Altar. Andere stehen eher am Rande oder bewegen sich zwischen den Bänken. Das eigentlich Spannende aber ist, dass der so gestaltete Kirchenraum Menschen aufrichtet. Denn wer sich zwischen diesen aufrecht stehenden Bänken bewegt, nimmt unwillkürlich selbst eine aufrechte Haltung an. Man geht erhobenen Hauptes durch diese Kirche. Ich finde, das ist ein wunderbares Bild. Eine Kirche, die Menschen nicht abverlangt, in Reih und Glied zu stehen, sondern ihnen Raum gibt, ihren eigenen Platz zu finden. Eine Kirche, die sich nicht leiten lässt von dem, was "immer schon so und nicht anders" war, sondern von dem, was der Einzelne hier und jetzt braucht. Und vor allem: eine Kirche, die Menschen hilft, aufrecht und erhobenen Hauptes durch die Welt zu gehen. ... Wir Menschen brauchen solche Orte, die uns daran erinnern, wer wir eigentlich sind, und die uns helfen, aufrecht durchs Leben zu gehen. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

Das Wort zum Sonntag, ARD, 14. August 2010
Pastor Gereon Alter, Essen

Aufrichten ist ein angemessenes Symbol für die Veränderung, die mit dem Funktionswechsel von einer Gottesdienstkirche wie der Christ-König-Kirche zu einem Kunst- und Veranstaltungsort einhergehen. Es signalisiert den Richtungswechsel, der hier vorgenommen wurde. Selbst wenn die Sitzgelegenheiten wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückgekehrt sind, wird es die Wahrnehmung so schnell nicht mehr können. Der veränderte Raum, der hier sichtbar geworden ist, wird von nun an auch den alten Zustand ungewohnt erscheinen lassen. So komplex ist in der Tat das Gefühl der Erinnerung und so widersprüchlich empfindet man jeden Aufbruch. Aufrichten macht die Ambivalenz der Situation anschaulich und gestaltet eindrücklich den Umgang damit.

Prof. Dr. Charlotte Klonk, Berlin


Ort: Christ-König-Kirche, Bochum / Spirituelle Kulturtankstelle Bistum Essen
Jahr: Juni - August 2010
Daten: 29 Kirchenbänke à 5,0 m Länge
Rahmen: Projekt der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010

Einführung: Prof. Dr. Charlotte Klonk, Humboldt-Universität Berlin
Musik: Kristina Mohr, Saxophon, Essen
Fotografie: Thomas Ott, Mühltal
Video: Ralf Brisi, Bochum
Partner: USB Bochum, Schreinerei Georg Stipp, Holzhandlung Keespe

Zu diesem Projekt hat der Kunstverein im Bistum Essen e. V. einen Katalog mit Texten von Prof. Dr. Charlotte Klonk, Dr. Philipp Reichling OPraem und Pastor Gereon Alter sowie Fotos von Thomas Ott und Matthias Jäger herausgegeben (DruckVerlag Kettler, ISBN 978-3-86206-120-4).

Weitere Veröffentlichung in:
Lieb, Stefanie (2022) Dorothee Bielfeld. das münster - Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft 75 (4), S. 338-341
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